Wo Du gerade sagst: ... Stress ...


Veröffentlicht am   20.04.2023 von Kai

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Hach, was war das heute wieder ein hektischer Tag. Irgendwie lief alles an der Belastungsgrenze und unter Dauerstrom. Niemand wĂŒnscht sich das. Aber leider lĂ€sst es sich manchmal nicht umgehen.

Das Theater fing fĂŒr mich bereits damit an, dass ich am frĂŒhen Morgen – wohl im Halbschlaf – den Wecker ausgemacht und mich im Bett noch einmal herumgedreht habe. Sicher habe ich etwas Feines getrĂ€umt, leider kann ich mich nur selten daran erinnern. Heute war keiner dieser seltenen Momente. Ich war auch gestern nicht zu spĂ€t im Bett, so dass ich dringend hĂ€tte Schlaf nachholen mĂŒssen.

Ich habe einfach verschlafen und zwar rund eine Dreiviertelstunde. Und dann, plötzlich, bin ich richtiggehend hochgeschreckt. Ich wusste sofort: Es ist spÀter als normal. Was mein erhöhter Puls bestÀtigte, der Blick zur Uhr ebenso. Die innere Uhr hatte Alarm geschlagen, leider geht sie wohl etwas nach, ziemlich genau eine Dreiviertelstunde.

Nun passiert es mir glĂŒcklicherweise nicht oft zu verschlafen. Aber ab und an kommt es dann doch vor. Und was darauf folgt, das ist immer hektisch. Was heute völlig blödsinnig war, denn: Ich hatte keine Termine. Niemand wartete auf mich, keine Konferenz, kein Telefonat, keine Verabredung zum Golfen. Ich hĂ€tte den Tag ruhig angehen lassen können. Doch irgendwas in mir trieb mich zur Eile, wollte die fehlenden 45 Minuten wieder aufholen.

Valium und PoloschlÀger

Ja, ich weiß, das klingt nach grĂ¶ĂŸeren psychischen Problemen, wenn man nicht in der Lage ist, sich selbst zur Ruhe zu rufen, wenn der Stress unnötig und grundlos ist. Doch heute hĂ€tte der Spruch von Woody Allen aus dem Film Annie Hall („Der Stadtneurotiker“) gepasst. Auf die Aussage seiner Freundin, sie habe das GefĂŒhl, sie mĂŒsse dringend mal wieder ihren Psychoanalytiker besuchen, antwortet Allen: „Blödsinn. Du hast nichts, was man nicht mit einer Großpackung Valium und einem PoloschlĂ€ger heilen könnte
“ Ich bin also so normal oder verqueer wie andere Menschen auch. Ein Durchschnittstyp, nichts besonderes.

Wenn ich ĂŒbrigens im Freundes- oder Bekanntenkreis dieses Filmzitat anbringe, dann ersetze ich den PoloschlĂ€ger natĂŒrlich durch einen GolfschlĂ€ger. Womit wir endlich wieder beim Thema wĂ€ren.

Was mich heute wieder auf den Boden geholt hĂ€tte, wĂ€re tatsĂ€chlich eine Runde Golf gewesen. Doch auch wenn ich keine terminierten Verabredungen hatte, so gab es doch einige Dinge zu erledigen. Zeit fĂŒr die Fahrt zum Platz und eine gemĂŒtliche 9-Loch-Runde blieb da einfach nicht ĂŒbrig.

Leider, denn – ich schrieb es sicher schon – nichts beruhigt mich mehr, als der Weg zum ersten Abschlag, das Aufteen und Ansprechen des Balles. Das ist immer wieder ein Moment der Kontemplation, der Konzentration und – der Entspannung. Und in diesem Zustand möchte ich dann auch die Runde absolvieren. Was zugegebenermaßen nicht immer gelingt, Stichwort: Wutausbruch nach unnötig schlechtem Schlag.

Klar regt es mich auf, wenn ich einen Schlag ruiniere und der Ball im tiefsten Rough landet. Ich bin auch in der Lage, mich in diese schlechten GefĂŒhle, begrĂŒndet in meinem Unvermögen im Umgang mit den SchlĂ€gern, derart hineinzusteigern, dass auf den dann noch folgenden Löchern quasi nichts mehr funktioniert. Dann bin ich nicht selten kurz davor, SchlĂ€ger in die Landschaft werfen. Doch glĂŒcklicherweise kann ich mich zumeist beherrschen.

Die Phasen des Ärgerns werden seltener. Nicht etwa, weil ich besser werde und die schlechten SchlĂ€ge weniger. Sondern weil ich langsam lerne, dass schlechte oder missglĂŒckte SchlĂ€ge dazugehören. Sie werden vielleicht tatsĂ€chlich weniger, aber sie werden dennoch immer dazugehören, auch wenn ich mal ein ganz passabler Spieler sein sollte.

Naja, das wird wahrscheinlich nie passieren. Ich werde immer auf dem Platz herumstĂŒmpern. Aber egal, so lange ich grundsĂ€tzlich Spaß dabei und Freude daran habe, dem Ball nachzulaufen. Ruhiger zu werden, den selbst erzeugten Stress zu reduzieren, vielleicht sogar irgendwann ganz zu vermeiden, das ist deshalb reiner Selbstschutz. Zu viel Adrenalin ist bestimmt nicht gut fĂŒrs Herz.

Dass ich diese absolute Ruhe auf der Runde sicher niemals gĂ€nzlich erreichen werde, das hat ĂŒbrigens nicht nur mit mir, sondern auch mit anderen Spielern und deren wohl fehlenden Wissen um Etikette zu tun. So gibt es zwei Situationen, die mich auf dem Rasen rasend machen können: Erstens, wenn mir ohne vernehmlichen „Fore!“-Ruf ein fremder Ball um die Ohren fliegt, und zweitens, wenn der Flight vor mir mal wieder alle Zeit der Welt hat.

Rentner und Fairway-Hacker

Man kennt diese Gangs, die ClĂŒbchen, die sich nicht zwingend, aber oft aus Rentnern oder – auf meinem Lieblingsplatz, der offen und daher ohne Platzreife zu bespielen ist – aus unwissenden und unvermögenden Fairway-Hackern zusammensetzen. Die Seniorengruppe mag tatsĂ€chlich so langsam spielen, weil sie viel Zeit hat. Den Neulingen dagegen hat noch niemand die einfachste Regel erklĂ€rt, die auf dem Golfplatz wie im Straßenverkehr gilt, und die heißt: „Nimm RĂŒcksicht auf andere.“

Und zu dieser RĂŒcksicht gehört auch, nicht herumzutrödeln oder zu schleichen, um die Nachfolgenden nicht ĂŒber GebĂŒhr aufzuhalten. Oder, die andere Möglichkeit, die auch im Straßenverkehr nicht funktioniert: Einfach zurĂŒckzustehen, also andere durchspielen zu lassen. Zu meiner Freude erlebe ich es tatsĂ€chlich hin und wieder, dass mein Flight vorgelassen wird, genauso, wie wir schnelleren Golfern gerne ab und an den Vortritt lassen.

Leider ist der Vergleich mit dem Straßenverkehr aber zunehmend zutreffend: „Erst ich, dann andere“, das scheint auch auf Golfbahnen immer mehr zum Credo zu werden. Wenn dazu noch die Bequemlichkeit aus dem Fahrzeug mit auf den Platz gebracht wird, die auf der Straße das Blinken und auf dem Platz den „Fore!“-Ruf verhindert, dann wird es manchmal nicht nur Ă€rgerlich, sondern mitunter auch gefĂ€hrlich.

Was ich mit diesem knapp 1000-wortigen Sermon sagen will, ist einfach formuliert:

  1. Bitte denken Sie daran, dass Sie nicht allein auf dem Platz sind.

  2. Erst durchatmen, dann meckern oder Àrgern. Denn letzteres hat sich nach einem ausgiebigen Zug frischer und klarer Naturluft nÀmlich sicher schon erledigt.

Abschließend nur noch eine Bitte: Wenn Sie mich mal auf dem Golfplatz treffen und erleben mĂŒssen, wie ich mich gerade fĂŒrchterlich aufrege oder Ă€rgere, dann erinnern sie mich doch bitte an diesen Text. Vielen Dank.


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