Wo Du gerade sagst: ... Geräusch ...


Veröffentlicht am   08.06.2023 von Kai

Ich glaube, ich werde langsam alt. Jeder will es werden, ich weiß, aber niemand will es eigentlich sein. Eine schwierige Geschichte. Ich meine das Altwerden, aber hier möchte ich auf etwas anderes hinaus: Ich werde im Zuge meiner Ansammlung von Lebensjahren zunehmend empfindlich. Und das hauptsächliche für Geräusche vielerlei Art, die mir generell nicht genehm sind.

Nun leben wir in einer geräuschvollen Welt. Und wir sind daran gewöhnt. Ganz ohne Geräusch ist es für uns nur schwer erträglich. Wer einmal – so wie ich – mit der Angetrauten in einer verlassenen und weitab vom Schuss gelegenen Feriensiedlung Urlaub gemacht hat, der weiß, was ich meine. Vor allem nächtens, in der Dunkelheit, kann es unangenehm sein zu wissen, dass man im Umkreis von mehreren Kilometern das einzige menschliche Lebewesen bzw. Paar ist.

Stille kann verunsichern

Wenn man kein Gespräch, keine leise Musik der Nachbarn, kein vorbeifahrendes Auto hört – und das stundenlang – dann kommt man sich komisch vor, unsicher, und schreckt wegen jeden Lauts hoch, den wahrscheinlich – hoffentlich – irgendein Tier gemacht hat (und bitte nicht ein Bösewicht, der einem gerade Schlechtes will). Wenn man noch dazu mit ein wenig Phantasie ausgestattet ist, dann können das unruhige Nächte werden.

Noch unangenehmer oder merkwürdiger ist der Aufenthalt in einem gänzlich schalltoten Raum, wie beispielsweise einem Tonstudio mit schallabsorbierend verkleideten Wänden. Vielleicht kennen Sie diese Schaumstoffplatten mit den großen Noppen, die wirklich jedes Geräusch schlucken. In einem solchen Raum kann einem schnell unwohl werden, geradezu klaustrophobisch, denn man ist daran gewöhnt, dass die Umgebung nicht nur hörbar Schall trägt, sondern ihn auch reflektiert. Und dieses Echo nehmen wir ununterbrochen wahr, auch wenn es uns nicht bewusst ist.

Industrie arbeitet gegen mich

Ich komme also wie’s aussieht in einen schwierigen Lebensabschnitt. Ich mag es nicht totenstill oder schalltot, mag aber auch nicht zu viele Geräusche. Doch leider hat die Industrie wohl etwas gegen mich. Und das nehme ich persönlich. Mein Auto läutet, wenn der Zündschlüssel steckt und dabei die Fahrertür geöffnet ist. Es warnt mit regelmäßigen Ping-Tönen, wenn ich fahre, ohne mich angeschnallt zu haben, ebenso pingt es, wenn die Außentemperatur auf maximal 4 Grad gefallen ist.

Unsere Mikrowelle teilt mir unmelodiös, aber geräuschvoll mit, wenn sie ihren Auftrag, das Essen zu erwärmen, erfüllt hat. Unser Kühlschrank teilt mir mit einem Alarmton mit, wenn ich meinen Auftrag eben nicht erfüllt und die Tür nach dem Entnehmen eines kühlen und zu kühlenden Lebensmittels nicht wieder richtig geschlossen habe.

Kakophonische Tonfolge

Unser Haustelefon nervt bei niedrigem Akkustand mit einer dem Klingelton ähnlichen kakophonischen Tonfolge, sodass ich schon öfter ein nicht vorhandenes Gespräch annehmen wollte, statt – wie gewünscht und lautstark angemahnt – das Teil auf seine Ladestation zu legen. Mein Mobilphone hingegen brummt wie eine Wespe, die sich gerade mein Ohr als Landeplatz ausgesucht hat.

Draußen surrt ein Kran, weil die Nachbarn ihr Hausdach renovieren lassen, etwas weiter weg schleift die Straßenbahn durch ihre Trasse, ein Autofahrer mahnt mit dem Druck auf die Hupe einen anderen Verkehrsteilnehmer. Und ein Radfahrer klingelt, weil er von einem Fußgänger missachtet wird.

Geräusche, Lärm, Musik (letztere oft nach meiner privaten Definition mit Lärm vergleichbar, da ich den Geschmack vieler meiner Mitmenschen nicht zu teilen vermag) – all dem ist nicht zu entfliehen. Und in vielen Fälle sage ich dazu: „leider nicht“.

Himmlische Klänge

Doch es gibt einen Ort, auf dem mir Geräusche wie himmlische Klänge vorkommen, mich aufbauen, mich ent- und verzücken. Sie ahnen sicher bereits, dass ich vom Golfplatz spreche. In der freien Natur auf der Runde mag ich das Rascheln der entfleuchenden Kaninchen im Gebüsch, das laute Flügelschlagen der Gänse (ja, die gibt es auf meinem Lieblingsplatz in Scharen). Auch deren Geschrei, dass sie warnend anstimmen, wenn ich, dem Ball folgend, die Frechheit besitze, ihnen zu nahe zu kommen, auch diese Warnrufe sind mir wohltuend.

Aber der mir liebste Ton ist ein lautes und metallisch-hallendes „Ping“, das einem kurzen „Sssst“ folgt. Es ist der Ton, den man vernehmen kann, wenn ein Golfer gerade vom Tee abgeschlagen hat und dabei, nach kraftvollem Abschwung, den Ball mit dem Sweetspot des Schlägerkopfes, also dem zentralen und besten Punkt auf der Schlagfläche, optimal erwischt hat. Bei eigenen Driverschlägen höre ich das zugegebenermaßen nicht allzu oft. Ich bin aber nicht neidisch, wenn andere diesen Klang produzieren und dadurch akustisch mitteilen, dass ebendieser Drive ein gelungener war. Für mich ist das vielmehr Musik.

Deshalb stehe ich auch gern auf einer gut gefüllten Driving Range und pausiere mit den eigenen Übungsschlägen, nur, um den Abschlagsgeräuschen der anderen Golfer zu lauschen. Herrlich und zugleich total entspannend.

Wie beim Driver, so hört man auch bei den anderen Schlägern – egal ob Hölzer oder Eisen – den erfolgreichen Schlag. Und auch den nicht so erfolgreichen. „Ping“, „Plopp“, „Blubb“, „Klong“ – mit etwas Übung, und die kommt automatisch im Laufe eines Golferlebens, kann man unterscheiden: Guter Schlag oder misslungener Versuch, Ball getroffen oder getoppt, mit der Schlägerkopfspitze erwischt etc. Oft helfen einem – gerade auf der Range – die Golfer zudem selbst bei der akustischen Einschätzung. Und das vor allem, wenn der Schlag missglückt ist. Dann wird schonmal geschimpft wie der berühmte Rohrspatz.

Hinterm Lenkrad durchaus laut

Ich gehöre übrigens zu den Menschen, die selten ausfällig werden. Im Kreise meiner Mitmenschen kann ich mich beherrschen, habe mich im Griff. Einzige Ausnahme: Wenn ich hinterm Steuer meines Autos sitze. Dann kann ich durchaus laut werden, andere Verkehrsteilnehmer als „hirnlose Idioten“ betiteln und auch schlimmere Begriffe benutzen, die ich an dieser Stelle niemals wiedergeben würde. Oft musste ich mir von verschiedenen Mitfahrern deshalb schon anhören: „Bleib doch mal ruhig. So schlimm war das doch nicht. Reg‘ dich ab.“ Aber irgendwie reißt es mich immer wieder.

Vielleicht sollte ich, der ich im Auto nur ausgesprochen selten Musik, dafür umso öfter Hörbücher höre, die akustische Untermalung meiner Fahrten einmal überdenken. Nach den Feststellungen in diesem Text könnte mir auf der Straße eines tatsächlich helfen, die Ruhe zu bewahren: Eine Tonaufnahme von unserer Driving Range.

„Ping“ und „Plopp“ zur Beruhigung

Vielleicht lasse ich bei meiner nächsten Übungssession einfach mal den Rekorder mitlaufen. Wenn das „Ping“ und „Plopp“ auf der Heimfahrt hilft, meinen Blutdruck in gesunden Grenzen zu halten, wäre das für mich tatsächlich noch ein Grund mehr, dem Golfspiel treu zu bleiben, und zudem ein wichtiges Argument dafür, die Trainingseinheiten vor Beginn der Runde deutlich zu verlängern, was wiederum dem Erfolg auf der Runde zugute kommen dürfte. Es käme auf den Versuch an.


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