Aller Anfang 7: Der Weg zur Platzreife, Teil 2


Veröffentlicht am   07.02.2022 von Kai

Schon bevor ich selbst zum ersten Mal einen Golfschläger in der Hand gehalten habe, gab es Freunde, die mich für das Spiel auf den langen Bahnen missionieren wollten. Ein ganz besonderes Paar nahm mich mal mit auf eine Runde. Ich war nur Zuschauer, bekam aber schnell einen Eindruck davon, wie sehr das Spiel mit dem kleinen Ball doch speziellen Regeln unterworfen ist.

Ich dachte, man schlägt die Kugel in eine Richtung, Platz genug ist ja vorhanden, und man zählt einfach nur die Schläge mit. Oh, ich Leichtgläubiger. Gibt es doch vieles zu beachten. Und schnell kamen die beiden Spieler auch in eine Situation, die direkt von mehr Regeln betroffen ist, als ich es mir vorstellen konnte: Ein Ball wurde ins dichteste Rough gespielt.

Bevor wir uns auf die Suche machten, wurde ich Opfer des berühmten offenen Messers: „Wie würdest Du jetzt vorgehen?“, wurde ich auf dem Weg zum Dickicht gefragt. „Naja, ich suche den Ball – und finde ihn hoffentlich auch“, so meine laienhafte Antwort. Und ich war quasi schon ins Messer gelaufen.

Unbekannte Regeln

Denn schon bevor die Suche überhaupt beginnen konnte, griff bereits die erste der vielen und mir noch unbekannten Regeln: Einfach zu suchen, das geht nicht. An erster Stelle steht der Blick auf die Uhr, denn: Länger als fünf Minuten durfte die Suche nicht dauern. Heute ist das nochmals verschärft worden, nur drei Suchminuten sind erlaubt, dann muss der Ball als verloren gewertet werden.

Also suchten wir. Eine, zwei drei, schließlich fünf Minuten verstrichen, ohne dass wir fündig geworden sind. „Und nun?“, wurde ich schon wieder gefragt. Das Grinsen im Gesicht meines Freundes wurde breiter, denn: woher sollte ich das wissen. Es gab mehrere Möglichkeiten, so überlegte ich.

Einerseits könnte man den Ball neu schlagen und zwar von der Stelle des früheren Schlages aus. „Richtig“, so die Antwort. Das sollte man aber direkt dann tun, wenn man feststellt, dass der erste Ball wohl nicht zu finden sein wird. „Provisorisch“ hieß dieser zweite Ball dann und käme nur ins Spiel, wenn der erste wirklich verloren ist.

Wo platziert man denn neuen Ball?

Man könnte auch ungefähr von der Stelle weiterspielen, an welcher der erste Ball verloren ging, so mutmaßte ich weiter. Auch das sei möglich, wurde ich gelobt. Und schon gäbe es weitere wichtige Regeln: Wo platziert man den Ball? Wie platziert man ihn, legen oder fallen lassen? Und was gilt es dann noch zu beachten?

Ich lernte zu Droppen (damals noch aus Schulterhöhe mit ausgestrecktem Arm, heute nur noch aus Kniehöhe), lernte, dass der neue Ball natürlich nicht näher zum Loch gedroppt werden darf, dass man sich auch keinen deutlichen Vorteil erschummeln darf, indem man den Ball zwar weiter vom Loch entfernt, aber auf günstigerer Spielposition ablegt.

Ich lernte, dass Schlägerlängen hier auch eine Rolle spielen können, wenn es um den Radius geht, der um einen unspielbaren Ball gezogen wird. Dass aber wiederum egal ist, ob man den kurzen Putter oder den deutlich längeren Driver als Maß für den so festgelegten Dropbereich nimmt. Und schließlich erfuhr ich, dass alle diese Maßnahmen natürlich bestraft würden – und zwar mit einem zusätzlichen Schlag, der bei dieser gerade gespielten Bahn hinzugezählt wird.

Schnell wurde mir bei diesem Beispiel klar, wie streng das Spiel reglementiert ist und auch reglementiert sein muss, um einen fairen Wettkampf zu ermöglichen. Zu viele Auslegungsmöglichkeiten gäbe es, hätten Spieler freie Hand beim Weg über die Bahnen.

Ich ließ mir ein Regelbuch geben, welches in jedem Golfbag Platz finden sollte, falls es zu Unstimmigkeiten beim Spiel kommen sollte. Dabei stellte ich schnell fest, dass man die Theorie des Golfsport nicht theoretisch lernen kann. Einerseits sind die Regeln ohne Beispiele manchmal nicht ganz einfach zu verstehen. Andererseits erscheint das alles auch zu trocken.

Lieber praktisch erklärt

Ich ließ also das Schmökern sein und mir stattdessen während der Runde noch die eine oder andere Regel ganz praktisch erklären. Lernte dabei etwas über die Bedeutung der weißen, roten oder auch gelben Holzpfähle, die auf mancher Bahn zu finden sind.

Ich lernte, dass der Schläger in manchen Situationen (zum Beispiel im Sandbunker) nicht zur Schlagvorbereitung hinter dem Ball aufgesetzt werden darf. Ich lernte, was unter „losen, hinderlichen Naturstoffen“ oder „beweglichen Hemmnissen“ zu verstehen und wie damit zu verfahren ist. Ich lernte, dass man einen Ball auch „für unspielbar“ erklären kann.

Am Ende, beim Getränk im Clubhaus, brummte mir der Schädel. Aber: Nicht schlimm. Denn damals dachte ich ja noch, dass dieser Spaziergang in Begleitung zweier Golfspieler meine erste und auch einzige Berührung mit diesem Sport sein würde.

Als ich dann später tatsächlich den Platzreifekurs absolvierte, wurde mir vieles so ganz nebenbei beigebracht. Unser Trainer und Lehrer Nick hatte die richtige Art, nicht nur das Spielen selbst zu lehren, sondern dabei auch immer etwas Theorie einfließen zu lassen.

Lernen mit Schreck

Ich weiß beispielsweise noch sehr gut, welchen Schrecken er der Gruppe einjagte, als er uns die Warnung beibrachte, die man zu rufen hat, wenn andere Spieler durch einen verirrten Ball unsererseits in Gefahr gebracht werden könnten.

Sein aus Leibeskräften gebrülltes „FORE!!!“ kam so unvermittelt nach Nicks bewusst schlechtem Abschlag, dass alle sprichwörtlich zusammengezuckt sind und es mir noch heute in den Knochen hängt. Aber dadurch habe ich es nie vergessen und brülle ebenso, wenn ein Ball mal auf einer fremden Bahn zu landen droht. Ich habe sogar richtig Spaß daran und warne eher zu oft.

Die auf diese Art erlernten Regeln sollten natürlich dann am Ende des Platzreifekurses im Rahmen einer schriftlichen Prüfung abgefragt werden. Deshalb lauschten wir Nicks Erläuterungen immer sehr genau, zumal er auch oft eine humorvolle Story aus seinem Trainerleben beisteuern konnte.


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10 Jahre als Rookie