Aller Anfang 3: Blut geleckt


Veröffentlicht am   13.12.2021 von Kai

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Der Ballautomat an der Driving Range spuckt Bälle in einen kleinen grünen Plastikkorb, es rattert und die Kollegen scheinen sich zu verändern. Mit diesem Geräusch beginnt für sie offiziell der Feierabend. Bis eben wurde noch über Arbeitstag gesprochen: Über Probleme und Gespräche, die die vergangenen acht Stunden geprägt hatten. Damit ist jetzt Schluss. Die Kollegen zeigen mir einige Aufwärm-Übungen. Wie bei jedem Sport, sollte man nicht mit kalten Muskeln auf den Ball eindreschen, schnell können Zerrungen das Spiel beenden, bevor es richtig beginnt. Die Notwendigkeit des Aufwärmens leuchtet mir zwar ein, dennoch mache ich nur halbherzig mit. Ich soll ja nur ausprobieren, das wird meine Muskeln schon nicht über Gebühr beanspruchen. Doch die Kollegen sind aufmerksam. Wenn ich nicht zumindest ein wenig schwitzen würde, wäre die Verletzungsgefahr zu groß. Also gut, ich füge mich, auch wenn’s schon jetzt nervt.

Als dann die ersten Bälle geschlagen werden, bin ich zunächst nur Zuschauer: „Sieh Dir an, wie man sich hinstellt, wo man den Ball platziert, wie man den Schläger schwingt.“ Ich schaue und staune, denn während der eine Kollege jeden Ball sauber und relativ gerade auf den Rasen schlägt, hat der andere Startprobleme, der eine Ball fliegt nach links, der nächste nach rechts, es wird „gehookt“ und „gesliced“. Ich lerne neue Begriffe – und auch reichlich neue Schimpfworte. Natürlich ist der Kollege unzufrieden. Und immer noch regt sich die Skepsis: Er spielt doch schon seit Jahren Golf und trotzdem will ihm zunächst kein Schlag gelingen. Was ist da los? Ich grinse ein wenig. Wie will er mir die Grundlagen beibringen, wenn er sie augenscheinlich selbst nicht beherrscht?

Sehr ungewohnt

Durch seine Startprobleme bin ich schneller an der Reihe, als ich erwartet habe: „Grinsen kann man leicht. Schlag mal deinen ersten Ball“, so die Ansage. Es ist halt beim Golf so, wie mit vielen anderen Dingen: Funktioniert etwas nicht, so kann es helfen, noch einmal auf Abstand zu gehen, sich neu zu sammeln und dann den nächsten Versuch zu starten. Und daher heißt es für mich: Stell dich an den Abschlag, leg einen Ball auf das Plastik-Tee, greif den Schläger auf korrekte Weise, mit zum Teil ineinander verschränkten Fingern, erst die linke, dann die rechte Hand – und los geht’s. Leider klingt das viel simpler, als es wirklich ist. Der korrekte Golfgriff macht mir Schwierigkeiten, die Haltung der beiden Hände, das Umfassen des Griffs, alles ist so ungewohnt, dass mir der Schläger noch mehr wie ein Fremdkörper vorkommt als vorhin mit dem Vorschlaghammer-Griff auf dem Parkplatz. Davon, einen sauberen Schwung hinzubekommen, bin ich meilenweit entfernt. Dabei soll ich einfach nur eine Kreisbahn nachvollziehen, am Ball vorbei.

Der erste echte Abschlag lässt noch auf sich warten. Und so folgt eine mühsame Prozedur: Der richtige Stand, der richtige Griff, der richtige Schwung – das alles zugleich zu berücksichtigen, will einfach nicht gelingen. Schnell wird mir klar, warum der kürzeste Golfer-Witz der Welt heißt: „Ich kann’s jetzt.“ Es sind so viele Muskeln zeitgleich beansprucht, wie es bei kaum einer oder sogar keiner anderen Sportart der Fall ist. Wie beim Lernen eines Instruments, müssen sich Bewegungsabläufe setzen, müssen sich die Muskeln an Bewegungen erinnern können, ohne dass der Kopf noch groß eingreifen muss.

Individuelles Bewegungsmuster

Dazu kommt: Die Frage, wie es wirklich richtig geht, ist eigentlich auch nicht von außen zu beantworten. Jeder hat sein eigenes Bewegungsmuster am Abschlag und auf dem Fairway. Bei manchen Hobbygolfern sieht der Schwung äußerst professionell aus, lehrbuchhaft sozusagen, und doch schlagen sie ungenau, nicht gerade, nicht weit. Andere sehen beim Abschlag aus, als hätten sie gerade einen Muskelkrampf. Doch dieser Schlag ist wiederholbar und effektiv. Ein „Du-musst-das-so-und-so-machen“ kann daher nur eine Hilfe ganz am Anfang sein, um eine Grundlage zu haben, auf die man aufbauen kann. Und auch das passiert normalerweise nicht beim ersten Ausprobieren, sondern erst, wenn der Entschluss gefallen ist: „Ja, das möchte ich lernen, damit möchte ich künftig viel Zeit verbringen.“

Meine Kollegen möchten alsbald auf die kleine Runde und so komme ich mir aktuell wie ein Bremsklotz vor. Ich halte sie auf. Sie betonen aber, dass sie das nicht stört. Jeder habe schließlich mal angefangen und auch ich sollte jetzt zum ersten Mal versuchen, den Ball nicht nur zu treffen, sondern auch möglichst geradeaus und auch möglichst weit zu schlagen. Wer sich an seine allerersten Schritte auf dem Golfplatz erinnern kann, der weiß: Aller Anfang ist fürchterlich. So auch bei mir. Luftschläge scheinen meine Passion zu sein. Innerlich habe ich Angst, den Boden zu treffen, der Schlag in die Handgelenke und Arme würde sicher ziemlich wehtun.

Unbekannter Ehrgeiz

Und doch schaffe ich es immer häufiger, den Ball zu treffen. Golfschwung würde ich die Bewegung allerdings nicht nennen wollen und von geradeaus und weit kann auch nicht die Rede sein. Aber ab und an gelingt es mir ein wenig, den Ball nach vorne zu treiben und ein wenig fliegen zu lassen. Und dann lerne ich, wie ehrgeizig ich auch bei sportlichen Aktivitäten sein kann. Das ist mir völlig neu. Ich merke: ich habe Blut geleckt, will öfter treffen, mit unbeschreiblichem Glücksgefühl dem Ball hinterhersehen. Doch ich weiß zugleich: das wird ein langer Weg. Und ich war bis zu dem Moment noch nicht einmal auf einer richtigen Golfbahn.

Hätte ich damals schon geahnt, wie viel Mühe und Schweiß es noch erfordern würde und weiterhin auch erfordert, den Ball einigermaßen passabel über die Bahnen zu schlagen, vielleicht hätte ich dann doch wieder aufgegeben. Zum Glück hatte ich keine Ahnung…


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